updated: May 2019 deutsch

Gesundheit der Abessinierkatzen

Abessinierkatzen gelten als sehr robuste Tiere vorausgesetzt, dass sie in einer Menschen bezogenen Umgebung gehalten werden, eine ausgewogene, vielseitige Ernährung bekommen und die Aufmerksamkeit kriegen, die sie brauchen.

Abessinierkatzen sind aktiv und menschenbezogen

Abessinierkatzen eignen sich nicht sehr gut zur Einzelhaltung und falls dies doch der Fall ist, muss man ihnen genügend Ablenkung, Spiel- und Klettermöglichkeiten bieten, vielleicht sogar einen freilaufgeschützten Gartenauslauf oder eine sonnige, sturzgesicherte Terrasse oder Balkon, um ihren Spieltrieb und ihren Drang nach Aktivität zu stillen . Abessinierkatzen lieben es, im Sonnenschein zu dösen oder zu beobachten, was da draussen so alles läuft, und natürlich sind frische Luft und Sonne der Gesundheit nicht abträglich, im Gegenteil!

Nicht ideale Haltungsbedingungen führen zu Dauerstress

Sie gedeihen auch nicht in Zuchten, wo sie entweder einzeln in Käfigen gehalten werden oder in Gruppen, wo die Mitglieder nicht harmonieren oder wo es einfach zu viele Tiere gibt, als dass sich der Züchter um jede einzelne Katze täglich kümmern kann, und damit ist nicht nur das Klo reinigen und den Futternapf füllen gemeint. Obgenannte Zustände können sehr schnell zu chronischem Dauerstress leiten und dies führt nicht nur bei Menschen - wie wir wissen - schliesslich auch zu körperlich manifestierten Krankheiten und einem reduzierten Immunsystem sondern eben auch bei Katzen!

Abessinier spezifische Erkrankungen?

Für eine gute Gesundheit sind also in erster Linie die Haltungs- bedingungen verantwortlich und nicht nur die Gene. Trotzdem gibt es leider einige Züchter, welche versuchen, der Abessinierkatze einen Hang zu spezifischen Krankheiten anzudichten, d.h. es wird suggeriert, dass es sich hier um ausschliesslich genetische Defekte handelt, die man mit Selektion alleine ausmerzen kann. Das fängt an mit chronischen Zahnfleischerkrankungen bis hin zum frühen Nierenversagen. Jeder Tierarzt wird Ihnen jedoch bestätigen, dass z.B. beide dieser Krankheiten bei allen Katzenrassen und auch bei Hauskatzen sehr häufig vorkommen, es sind also keine speziellen "Abessinierkatzenerkrankungen".

Umwelt vs. Gene

Die Palette der rassespezifischen Erkrankungen enhält weitere exotische Bezeichnungen wie Amyloidose, Patellaluxation, Progressive Retinopathie, Pyruvatkinase Mangel etc. etc. Für zwei der oben erwähnten Erkrankungen, wo man vermutet, das verantwortliche krankmachende Gen gefunden zu haben, stehen mittlerweile genetische Tests zur Verfügung. Solche Tests sind dann nützlich, wenn man in einer Zucht immer wieder den gleichen Problemen begegnet und umweltbedingte Einflüsse weitgehends ausgeschlossen wurden. Damit könnte man dann eine starke, genetische Komponente der Erkrankung zuordnen. Doch sogar in solchen Fällen ist oft nicht gewiss, ob trotz Mutation eines Genes die Krankheit wirklich ausbrechen wird, da ein einzelnes Gen praktisch nie alleine für eine perfekte Funktion (oder eben Dysfunktion) der menschlichen chemischen Fabrik verantwortlich ist, es ist nur ein Teil eines gigantischen Netzwerkes, wo viele Faktoren zum Gelingen oder aber auch zu Fehlfunktionen führen - ein einzelner Faktor reicht dazu meistens nicht aus, theoretisch nicht mal bei sog. monogenetischen Erkrankungen, wie ein interessanter Beitrag von Philipp M. Rosoff und Alex Rosenberg zeigt1) Anhand der bekannten Stoffwechselstörung Phenylketunorie (PKU) - meist als Paradebeispiel für die ausschliesslich genetische Bestimmung dieser Erkrankung aufgeführt - zeigen die beiden Wissenschaftler auf, dass genau das Gegenteil der Fall ist und geben ein starkes Beispiel dafür, dass genetischer Determinismus der falsch eingeschlagene Weg für eine bessere Gesundheit von Lebewesen ist. Man könnte auch kurz sagen, Mensch und Tier sind mehr als nur die Summe ihrer Gene, die Umwelt, worin sie sich bewegen, und deren Einflüsse tragen mindestens gleich stark zu deren Gesundheit und/oder Erkrankung bei!

Genetische Voraussage - Wo liegen die Grenzen?

PD Dr. Barbara Zoll (Institut für Humangenetik, Zentrum für Hygiene und Humangenetik der Universität Göttingen) hat in ihrem Papier "Einschätzung der Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aus medizinischer Sicht"2 treffend zusammengefasst, was ich oben auszuführen versuchte:

"Je nach Funktion des Gens tritt der pathologische Phänotyp (zB die Krankheit) vor Geburt, im Säuglings- oder Kindesalter oder im höheren Lebensalter auf. Der Phänotyp kann leicht oder schwer sein, lebensverkürzend wirken oder die Lebenserwartung wenig beeinträchtigen. Die Mutationen können sich dominant oder rezessiv verhalten oder im Kontext mit mehreren Mutationen und/oder ungünstigen Umweltbedingungen krankheitsverursachend wirken. Die phänotypische Ausprägung von Mutationen ist daher weder obligat noch interindividuell gleichartig."

Im nächsten Kapitel werde ich auf einige der oben erwähnten
Erkrankungen und weitere Probleme, wie sie in Zuchten
vorkommen können, eingehen.

Referenzen:

1How Darwinian reductionism refutes genetic determinism;
Rosoff Philip M, Rosenberg Alex;
Stud. Hist. Phil. Biol. & Biomed. Sci. 37 (2006) 122–135

2Erschienen im IWT Papier 28 zu "Schöne - gesunde - neue Welt? Graduiertenkolleg „Genese, Strukturen und Folgen von Wissenschaft und Technik“ Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT); Tillmann Hornschuh, Kirsten Meyer, Gerlind Rüve, Miriam Voß (Hg.), Universität Bielefeld

 

Weitere Literatur zum Thema:

Stress und Immunsystem

Beyond Genetic Determinism von Richard Strohman

 

zum Seitenanfang